
Das Jahr 2020. Für viele das schlimmste Jahr ihres Lebens. Für Dominic Thiem, zumindest sportlich, das erfolgreichste seiner bisherigen Karriere.
Der mittlerweile 27 Jahre alte Lichtenwörther ist seit dem Jahr 2011 Profi. Unter Trainer Günther Bresnik gelang ihm der Aufstieg in die Weltspitze. 2016 zog er erstmals in die Top 10 ein, was ihm nach Thomas Muster und Jürgen Melzer als erst dritten Österreicher gelang. Seither hat er sich stetig weiter verbessert. Mit der Trennung von Bresnik und der Verpflichtung des zweifachen Tennis-Olympiasiegers Nicolás Massú gelang ihm dann der nächste große Schritt.
Der Start in die Saison fiel eigentlich schon Ende 2019 beim ATP Cup in Australien. In der Gruppenphase musste Thiem zwei Niederlagen einstecken, gewann aber gegen Diego Schwartzman.
Nach dem ATP Cup ist dann vor den Australian Open. Mit Siegen gegen Spitzenspieler wie Gael Monfils (Nr. 10 gesetzt), Rafael Nadal (Nr. 1) sowie Alexander Zverev (Nr. 7) schaffte er bereits früh im Jahr 2020 den Einzug in sein erstes Finale. Es sollte seine dritte Teilnahme an einem Grand Slam Finale werden. Leider auch seine dritte Niederlage. In einem wahren 5-Satz-Krimi unterlag er denkbar knapp dem Serben Novak Djokovic.
Nach kurzer Pause ging es für Thiem in die Vorbereitung auf seinen Lieblings-Grand Slam in Paris. Sein erstes Turnier auf Sand in Rio verlief aber noch nicht ganz nach Wunsch. Er verlor im Viertelfinale gegen den Italiener Gianluca Mager.
Und dann? Lange nichts. Der Tennisbetrieb wurde für mehrere Monate komplett eingestellt. Unzählige Turniere wurden abgesagt und zum Teil ersatzlos gestrichen. So zum Beispiel auch der Grand Slam in Wimbledon.
Nach den ersten Lockerungen und der Erlaubnis wieder zu trainieren, hielt sich Dominic wie viele andere Spieler auch, mit Exhibitions fit. Thiems7 war ein von ihm organisiertes Turnier dieser Art in Kitzbühel. Mit begrenzter Zuschauerzahl wurde das Turnier trotzdem zum vollen Erfolg. Thiem schlug in der Gruppenphase Andrey Rublev, Jan-Lennard Struff und Casper Ruud. Nach dem Halbfinalerfolg gegen Roberto Bautista Agut, ging es im Finale erneut gegen Rublev, der diesmal zurückschlagen konnte und sich ein Preisgeld von 100.000 Euro sicherte.
Schlagzeilen machte zuvor aber bereits die von Novak Djokovic ins Leben gerufene Adria Tour. Bei Spielen in Serbien, Bosnien und Kroatien waren überraschend viele Zuschauer zugelassen. Die Infektionszahlen stiegen, auch einige der Spieler infizierten sich mit dem Corona-Virus, machten sogar Party zusammen. Gute Vorbilder waren die vielen Topstars, darunter auch Dominic Thiem in dieser Zeit wohl nicht.
Irgendwann ging es dann aber doch mit der ATP Tour weiter. Das Masters in Cincinatti war das erste große Turnier nach der langen Pause, wurde allerdings in New York ausgetragen. Thiem war zu diesem Zeitpunkt einfach noch nicht so weit. Nach einem Sommer auf Sand, brauchte die Umstellung auf den Hartplatz einfach etwas länger. Dem Freilos in Runde 1 folgte eine Schlappe gegen Filip Krajnovic.
Doch pünktlich zu den US Open war Dominic Thiem in Bestform. Mehrere Wochen in der Bubble, außer den Trainings und Spielen war keine richtige Bewegung im Freien möglich. Zum Teil bekamen die Spieler sogar Suiten im Stadion, von der aus sie auch gleich die Spiele der Konkurrenz beobachten konnten.
Neben dem fehlenden Roger Federer, verzichtete auch Rafael Nadal auf Grund von Corona auf eine Teilnahme in New York. Novak Djokovic wurde bekanntermaßen wegen einer Unsportlichkeit (er traf eine Schiedsrichterin mit einem unkontrollierten Ball am Hals) disqualifiziert. Somit war der Weg für Thiem frei, möchte man meinen. So einfach war es dann doch nicht. Einen Titel zum abholen gibt es nicht.
In einem hochdramatischen Finale setzte sich Dominic Thiem nach 2-Satz-Rückstand im Tiebreak des fünften Satzes mit 2:6, 4:6, 6:4, 6:3 und 7:6 durch. Sein erster Grand Slam Erfolg! Und was für einer.
Nach wenig Pause und vielen Terminen ging es für Thiem zurück auf Sand. Die French Open fanden in diesem besonderen Jahr zu einer ungewöhnlichen Zeit statt. Normalerweise müssen die Spieler mit brütender Hitze zurecht kommen. Diesmal war es vielen sogar zu kalt.
Der Sandplatzkönig Rafael Nadal war zurück und Domi Thiem wollte allen beweisen, dass er ihn auch in Paris schlagen kann. Bereits zwei mal zog er im Finale der French Open den Kürzeren gegen den Spanier. Bereits in den ersten Spielen merkte man aber, dass ihm die Anstrengungen der letzten Wochen noch in den Knochen liegen und so kam es, wie es kommen musste. Im Viertelfinale war gegen Diego Schwartzman in 5 Sätzen Endstation. Den Titel holte sich erneut Rafa Nadal. Zum insgesamt 13 (!) Mal. Sensationell.
Trotzdem kehrte Thiem als Nationalheld nach Österreich zurück und startete bei den Erste Bank Open in Wien in sein Heimturnier. Zwar an und für sich wieder fit, machte ihm dann aber im Viertelfinale gegen den Russen Rublev eine kleine Verletzung einen Strich durch die Rechnung. Nichts wurde es mit dem erneuten Titelgewinn in der Wiener Stadthalle.
Der krönende Abschluss der Tennissaison fand auch in diesem Jahr mit den ATP Finals in London statt. In der Gruppenphase besiegte Österreichs Tennisstar den Vorjahresfinalgegner Stefanos Tsitsipas und Rafael Nadal! Im abschließenden Gruppenspiel gegen Rublev wurden Kräfte gespart.
Kräfte die der Niederösterreicher im Halbfinale gegen Novak Djokovic gebraucht hat. Er besiegte den Serben in einem erneuten Krimi und spätestens danach war klar, dass er nun wirklich in der Elite des Tennis angekommen ist. Siege gegen Nadal und Djokovic beim wohl wichtigsten Turnier des Jahres nach den Grand Slams sprechen für sich.
Im Finale gab es ein langes Hin und Her mit Daniil Medvedev. Nach dem Gewinn des ersten Satzes, musste Thiem den zweiten im Tiebreak abgeben und verlor am Ende in drei Sätzen gegen den Russen.
Das bisher wohl kürzeste Profijahr des Dominic Thiem wurde zugleich zu seinem erfolgreichsten. Zwar steht am Ende „nur“ ein einziger Titelgewinn, doch dieser ist ohne Frage der schönste und größte seiner Karriere. Man darf gespannt sein, wie sich Dominic Thiem weiterentwickelt. Denn jetzt hat er die großen Ziele alle erreicht, kann freier Aufspielen und auch seine letzten Kritiker verstummen lassen.


